Situation in der Schweiz

In der Schweiz leben viele Menschen, die aus Ländern mit hohen Beschneidungsraten stammen. Gemäss Schätzungen geht man von rund 22'000 betroffenen oder gefährdeten Mädchen und Frauen aus.

Die weibliche Genitalbeschneidung (Female Genital Mutilation/ Cutting, FGM/C) wird in afrikanischen Ländern, im Nahen Osten und in Asien praktiziert. Da in der Schweiz viele Menschen leben, die aus Ländern mit hohen Beschneidungsraten stammen, sind auch Fachpersonen hierzulande mit der Thematik konfrontiert. In der Schweiz ist die weibliche Genitalbeschneidung verboten.

Anzahl der Betroffenen

Gemäss Schätzungen aus dem Jahr 2017 geht man in der Schweiz von ungefähr 22'000 betroffenen oder gefährdeten Mädchen und Frauen aus. Dies ist eine Hochrechnung. Sie wurde anhand der Statistik der jeweiligen ausländischen Wohnbevölkerung erstellt und in Bezug gesetzt zu den Vorkommensraten in den Ursprungsländern. Genauere Aussagen zur Prävalenz können zurzeit nicht gemacht werden, da in der Schweiz kein Monitoringsystem existiert, welches relevante Daten gesamtschweizerisch erheben würde.

Wer ist betroffen?

In der Schweiz sind insbesondere (aber nicht nur) Menschen aus Eritrea, Somalia, Äthiopien, Sudan und aus Ägypten betroffen. Die Beschneidungsraten in diesen Ländern sind hoch: So sind dort zwischen 74% (Äthiopien) und 98% (Somalia) aller Mädchen und Frauen beschnitten. Migrantinnen aus diesen Ländern haben in der Schweiz oft mit vielfältigen Schwierigkeiten zu kämpfen. Ein ungewisser Aufenthaltsstatus, Diskriminierung auf verschiedenen Ebenen und eine prekäre finanzielle Situation erschweren die Integration. Zudem erlitten oder erleiden  etliche Frauen (sexualisierte) Gewalt - sei das im Herkunftsland, auf der Flucht oder im Aufnahmeland. Deswegen ist FGM/C - wenn es denn von den Betroffenen überhaupt als Problem wahrgenommen wird - nur eines von Vielen.

Und die Fachpersonen?

Fachpersonen aus unterschiedlichsten Berufsfeldern kommen mit betroffenen oder gefährdeten Mädchen und Frauen in Kontakt. Laut einer Studie von UNICEF Schweiz gaben 40% der befragten Fachleute aus dem medizinischen bzw. 42% aus dem Asyl- und 27% der befragten Fachpersonen aus dem Sozialbereich an, mit beschnittenen Mädchen und Frauen konfrontiert zu sein. Dabei haben Gynäkologen und Gynäkologinnen (79%) sowie Hebammen (66%) am häufigsten Kontakt mit Betroffenen. Dies ist nicht erstaunlich, zumal die weibliche Genitalbeschneidung häufig erst im Rahmen einer Schwangerschaft oder Geburt festgestellt wird. Der Umgang mit dem Thema FGM/C ist für viele Fachpersonen nach wie vor eine grosse Herausforderung, der Informationsbedarf gross. Umso wichtiger ist die Einbindung des Themas FGM/C in Aus- und Weiterbildungen. Im Weiteren ist es wichtig, das Thema zu institutionalisieren, d.h. Vorgehen und Abläufe betr. FGM/C innerhalb einer Institution/Betrieb müssen definiert werden. Wann immer möglich sollte das Thema in bestehende Strukturen eingebunden werden.

MultiplikatorInnen

Multiplikatorinnen und Multiplikatoren vermitteln zwischen den betroffenen Gemeinschaften, Beratungsstellen und Fachpersonen. Sie sind für die Prävention sehr wichtig, indem sie die betroffenen Gemeinschaften (Communities) dazu anregen, das tabuisierte Thema der weiblichen Genitalbeschneidung (Female Genital Mutilation/Cutting, FGM/C) zu diskutieren und diese Tradition und Praxis kritisch zu hinterfragen.

Engagement von Bund und Kantonen

Die Motion von Maria Roth Bernasconi zu weiblicher Genitalverstümmelung war der Auslöser für ein Engagement von Seiten des Bundes. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) engagiert sich im Rahmen des Nationalen Programms Migration und Gesundheit seit 2003 mit der Finanzierung von Sensibilisierungs- und Präventionsmassnahmen gegen FGM/C. Seit 2010 beteiligt sich auch das Staatssekretariat für Migration (SEM) an diesen Aktivitäten. 2015 hat der Bundesrat beschlossen im Zeitraum von 2016 bis 2019 ein Netzwerk gegen weibliche Genitalverstümmelung zu unterstützen. Die Aktivitäten auf kantonaler Ebene sind sehr heterogen: Die vier Kantone Genf, Neuenburg, Waadt und Freiburg setzen bzw. setzten kantonale Strategien oder Kampagnen um.

Es braucht mehr als ein Verbot

Mit seinem am 25. November 2020 veröffentlichten Bericht hat der Bundesrat dem Postulat 18.3551, «Massnahmen gegen Mädchenbeschneidungen» von Natalie Rickli Folge geleistet. Der Bundesrat sollte gemäss dem Postulat in einem Bericht darlegen, mit welchen Massnahmen Mädchen und Frauen besser vor weiblicher Genitalverstümmelung geschützt werden können. Das Netzwerk gegen Mädchenbeschneidung Schweiz, welches die Entstehung des Berichts phasenweise begleitet hat, bezieht in seiner Stellungnahme Position zu diesem Bericht.

Verweise

Jasmine Abdulcadir: Mutilations génitales féminines: Recommandations, pratiques, in: Obstetrica 11/2019, S. 19. En Europe, 500'000 femmes et filles ont été estimées comme porteuses ou à risque de MGF (European institute for gender equality, 2015); en Suisse 22'000 (données en cours de publication).

UNICEF Schweiz (2013). Weibliche Genitalverstümmelung in der Schweiz. Umfrage 2012 – Risiko, Vorkommen, Handlungsempfehlungen. Zürich: UNICEF Schweiz.

Schweizerisches Kompetenzzentrum für Menschenrechte (SKMR) (2014). Prävention, Versorgung, Schutz und Intervention im Bereich der weiblichen Genitalbeschneidung (FGM/C) in der Schweiz. Empfehlungen und Best Practices. PDF