Sie sind Ärztin oder Schulsozialarbeiter, Kindergärtner, Lehrerin oder Hebamme. Und Sie fragen sich: Was kann ich tun, um von weiblicher Genitalbeschneidung (FGM/C) betroffene Mädchen und Frauen zu unterstützen und gefährdete Mädchen zu schützen? Wie erkenne ich, ob jemand möglicherweise betroffen ist? Beim wem hole ich fachlichen Rat?
Weibliche Genitalbeschneidung (FGM/C) ist ein sehr sensibles Thema und der Umgang mit (potentiell) betroffenen Frauen und Mädchen nicht einfach. Es gibt kein Patentrezept, wie man als Fachperson vorzugehen hat. Jede Situation ist anders, jede Frau und jedes Mädchen hat eine eigene Geschichte und eigene Bedürfnisse. Nachfolgend finden Sie für den Umgang mit FGM/C in Ihrem beruflichen Alltag einige allgemeine Handlungsoptionen und Hilfestellungen.
Wissen: Informieren Sie sich und holen Sie sich fachliche Unterstützung bei den regionalen und nationalen Anlaufstellen des Netzwerks gegen Mädchenbeschneidung Schweiz.
Ansprechen: Je nach Situation, Ihrer Rolle als Fachperson und Beziehung zu der Frau sprechen Sie die Frau darauf an. Dabei sollten Sie in erster Linie zuhören und die Bedürfnisse und Wünsche der Betroffenen ins Zentrum stellen. Jeder Fall ist anders. Und nicht alle Betroffene haben Probleme. Als Fachperson (und idealerweise mit einer Vertrauensbeziehung) sollten Sie Unterstützung und Gesprächsbereitschaft signalisieren.
Unterstützung anbieten: Zeigen Sie auf, dass es Fachpersonen gibt, die bei Problemen helfen können. Vermitteln Sie den Zugang zu erfahrenen, spezialisierten weiblichen Fachpersonen (Gynäkologinnen, Hebammen, Fachpersonen der sexuellen Gesundheit, interkulturellen Vermittlerinnen, Multiplikatorinnen, Dolmetscherinnen etc.). Das Netzwerk gegen Mädchenbeschneidung führt eine Liste von Anlaufstellen.
Wissen: Informieren Sie sich und holen Sie sich fachliche Unterstützung bei den regionalen und nationalen Anlaufstellen des Netzwerks gegen Mädchenbeschneidung Schweiz.
Ansprechen: Je nach Situation, ihrer Rolle als Fachperson und der Beziehung zum Mädchen und zu den Eltern sprechen Sie das Mädchen und/oder die Eltern darauf an. Dabei sollten Sie zuerst zuhören und eine Vorverurteilung vermeiden. Jeder Fall ist anders. Als Fachperson signalisieren Sie Unterstützung und Gesprächsbereitschaft.
Ziel des Gesprächs: Das Wohl des Kindes steht im Zentrum. Versuchen Sie deshalb, eine Vertrauensbeziehung mit den Eltern aufzubauen und so die Bereitschaft zur Zusammenarbeit zu fördern. Ziel muss sein, Eltern und Familien darin zu bestärken, ihre Töchter vor FGM zu schützen. Dabei kann es auch darum gehen, Unterstützung anzubieten für den Umgang mit Druck aus der erweiterten Familie (auch aus dem Herkunftsland), die Tochter beschneiden zu lassen. Sollte sich herausstellen, dass das Mädchen bereits beschnitten ist, steht in einem ersten Schritt die Gesundheitsversorgung und Unterstützung des Mädchens im Zentrum. Lokale Anlaufstellen können dabei Unterstützung bieten.
Inhalt des Gesprächs: In einem Gespräch sollten Sie unter anderem vermitteln, ...
... dass Sie sich Sorgen um das Mädchen machen.
... dass FGM/C in der Schweiz als eine Körperverletzung und Kindeswohlgefährdung verstanden wird.
... dass jede Form von FGM/C in der Schweiz und in den meisten Ländern verboten ist. FGM/C ist in der Schweiz auch strafbar, wenn sie im Ausland durchgeführt wird.
... dass Erziehungsberechtige ihre Fürsorgepflichten verletzen, wenn sie ein Mädchen nicht vor einer Beschneidung schützen (wenn zum Beispiel das Mädchen beim Besuch bei Verwandten im Herkunftsland beschnitten würde).
... dass FGM/C gravierende gesundheitliche Probleme zur Folge haben kann.
... dass Sie, wenn Sie weitere Schritte/Abklärungen planen, diese den Eltern und/oder dem Mädchen transparent kommunizieren.
MultiplikatorIn beiziehen: Ziehen Sie für Gespräche wann immer möglich eine Multiplikatorin oder eine interkulturelle Vermittlerin bei, die zum Thema FGM/C geschult ist. Die nationalen Anlaufstellen können Sie mit solchen MultiplikatorInnen in Kontakt bringen.
Kindeswohlgefährdung: Als Fachperson handeln Sie wie bei anderen Formen von Kindeswohlgefährdung oder häuslicher Gewalt: Wenn sich der Verdacht einer Beschneidung erhärtet, nehmen Sie Kontakt mit der lokalen Kinderschutzgruppe auf und/oder machen eine Gefährdungsmeldung an die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB). Informieren Sie sich über die Handhabung des Amts- und Berufsgeheimnisses sowie Melderechte und -pflichten im Rahmen Ihres Anstellungsverhältnisses und in Ihrem Kanton. Mehr Informationen zur rechtlichen Situation in der Schweiz. Konsultieren Sie auch unser Merkblatt zum Risikomanagement (PDF).
Wissen: Informieren Sie sich und holen Sie sich fachliche Unterstützung bei den regionalen und nationalen Anlaufstellen des Netzwerks gegen Mädchenbeschneidung Schweiz.
Ansprechen: Je nach Situation, ihrer Rolle als Fachperson und der Beziehung zum Mädchen und zu den Eltern sprechen Sie das Mädchen und/oder die Eltern darauf an. Dabei sollten Sie zuerst zuhören und eine Vorverurteilung vermeiden. Jeder Fall ist anders. Als Fachperson signalisieren Sie Unterstützung und Gesprächsbereitschaft.
Ziel des Gesprächs: Das Wohl des Kindes steht im Zentrum. Versuchen Sie deshalb, eine Vertrauensbeziehung mit den Eltern aufzubauen und so die Bereitschaft zur Zusammenarbeit zu fördern. Ziel muss sein, Eltern und Familien darin zu bestärken, ihre Töchter vor FGM zu schützen. Dabei kann es auch darum gehen, Unterstützung anzubieten für den Umgang mit Druck aus der erweiterten Familie (auch aus dem Herkunftsland), die Tochter beschneiden zu lassen. Sollte sich herausstellen, dass das Mädchen bereits beschnitten ist, steht in einem ersten Schritt die Gesundheitsversorgung und Unterstützung des Mädchens im Zentrum. Lokale Anlaufstellen können dabei Unterstützung bieten.
Inhalt des Gesprächs: In einem Gespräch sollten Sie unter anderem vermitteln,…
… dass Sie sich Sorgen um das Mädchen machen.
… dass FGM/C in der Schweiz als eine Körperverletzung und Kindeswohlgefährdung verstanden wird.
… dass jede Form von FGM/C in der Schweiz und in den meisten Ländern verboten ist. FGM/C ist in der Schweiz auch strafbar, wenn sie im Ausland durchgeführt wird.
… dass Erziehungsberechtige ihre Fürsorgepflichten verletzen, wenn sie ein Mädchen nicht vor einer Beschneidung schützen (wenn zum Beispiel das Mädchen beim Besuch bei Verwandten im Herkunftsland beschnitten würde).
… dass FGM/C gravierende gesundheitliche Probleme zur Folge haben kann.
… dass Sie, wenn Sie weitere Schritte/Abklärungen planen, diese den Eltern und/oder dem Mädchen transparent kommunizieren.
MultiplikatorIn beiziehen: Ziehen Sie für Gespräche wann immer möglich eine Multiplikatorin oder eine interkulturelle Vermittlerin bei, die zum Thema FGM/C geschult ist. Die nationalen Anlaufstellen können Sie mit solchen MultiplikatorInnen in Kontakt bringen.
Kindeswohlgefährdung: Als Fachperson handeln Sie wie bei anderen Formen von Kindeswohlgefährdung oder häuslicher Gewalt: Wenn sich der Verdacht einer Beschneidung erhärtet, nehmen Sie Kontakt mit der lokalen Kinderschutzgruppe auf und/oder machen eine Gefährdungsmeldung an die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB). Informieren Sie sich über die Handhabung des Amts- und Berufsgeheimnisses sowie Melderechte und -pflichten im Rahmen Ihres Anstellungsverhältnisses und in Ihrem Kanton. Mehr Informationen zur rechtlichen Situation in der Schweiz.
Besteht für das Mädchen eine unmittelbare Gefahr, dann kontaktieren Sie die lokale Kinderschutzgruppe, die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) oder die Polizei. Solche Situationen, die ein dringendes Eingreifen erfordern, sind jedoch selten.
Einerseits sollte eine Fachperson versuchen, möglichst alle Betroffenen und Gefährdeten zu erreichen, um sie zu unterstützen und zu schützen. Gleichzeitig sollten nicht alle Familien aus bestimmten Herkunftsländern unter Generalverdacht gestellt werden. Nicht alle Frauen und Mädchen aus Ländern, in welchem FGM/C praktiziert wird, sind beschnitten oder gefährdet.
Das Thema unterliegt einer starken Tabuisierung, es geht um Sexualität, um den weiblichen Körper und um Gewalt. Das heisst, der Umgang damit erfordert Sensibilität.
Für ein Gespräch braucht es eine vertrauensvolle Atmosphäre und genügend Zeit. Sprechen Sie das Thema FGM/C wann immer möglich im Rahmen ähnlicher Themen an (zum Beispiel Gesundheit, Sexualität, Schwangerschaft und Geburt, Erziehung, Kindesschutz, Gewalt).
Wichtig ist, dass Sie wissen, wo Sie sich informieren, unterstützen und beraten lassen können. Die nationalen Anlaufstellen des Netzwerks gegen Mädchenbeschneidung Schweiz nehmen Ihre Anfrage gerne entgegen. Sie müssen nicht unbedingt zur FGM/C-Expertin oder zum FGM/C-Experten werden; vielmehr geht es darum, dass Sie eine Vermittlungsfunktion übernehmen und den Zugang zu Unterstützung und Schutz ermöglichen.
Es ist wichtig, dass auch Ihre Institution eine klare Haltung und Vorgehensweise im Umgang mit FGM/C hat. Besprechen Sie den Einzelfall in ihrem Team und mit Vorgesetzten.
Das Thema FGM/C kann bei Fachpersonen starke Emotionen hervorrufen. Diese Emotionen haben aber im Gespräch mit Betroffenen keinen Platz. Bleiben Sie sachlich und professionell und führen Sie das Gespräch mit Respekt und auf Augenhöhe. Kommunizieren Sie dabei klar, dass FGM/C in den meisten Ländern, auch in der Schweiz, verboten ist. Mehr Informationen zur Gesetzeslage.
Die folgenden Beispiele erleichtern es, in ein Gespräch über FGM/C einzusteigen:
Wenn Sie mit Menschen aus praktizierenden Gemeinschaften über das Thema sprechen ist es besser, den Begriff «Mädchenbeschneidung» zu gebrauchen. Dieser ist weniger wertend als der Begriff «Genitalverstümmelung». Zudem sehen sich viele beschnittene Frauen nicht als verstümmelt an. Alternativ kann auch der Begriff «Ritual» oder der Begriff aus der jeweiligen Sprache der betroffenen Person verwendet werden. Fragen Sie gegebenenfalls eine Dolmetscherin nach dem geläufigen Begriff.
Ziehen Sie für Gespräche wann immer möglich eine Multiplikatorin,oder eine interkulturelle Vermittlerin bei, die zum Thema FGM/C geschult ist. Die nationalen Anlaufstellen können Sie mit solchen MultiplikatorInnen in Kontakt bringen.
Sie können FGM/C auch in einer Gruppe ansprechen, wenn es im Zusammenhang mit ähnlichen Themen geschieht (zum Beispiel mit Gesundheit, Sexualität, Sexualpädagogik, Schwangerschaft & Geburt, Erziehung, Kindesschutz, Gewalt).
Eine stigmatisierende Auswirkung auf einzelne Gruppenmitglieder muss dabei jedoch verhindert werden. Wenn nur einzelne in der Gruppe potentiell betroffen sind, dann braucht es sehr viel Fingerspitzengefühl. Das Thema in einer Schulklasse anzusprechen ist besonders heikel, da sich eine falsche Herangehensweise aufgrund des Alters und des schulischen Umfeldes besonders stigmatisierend auf betroffene Mädchen und Frauen auswirken kann.
Für Präventionsveranstaltungen können MultiplikatorInnen beigezogen werden.
Männer in betroffenen Gemeinschaften wissen oft nur sehr wenig über FGM/C; die Praktik wird als «Frauensache» gesehen. Männer sind als (zukünftige) Ehemänner und Väter jedoch auch von FGM/C betroffen. Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung beziehungsweise Überwindung von FGM/C. Männer müssen folglich in die Diskussionen einbezogen werden. Nur wenn auch die Männer gut informiert sind, können sie ihre beschnittenen Frauen besser verstehen und unterstützen und ihre Töchter vor einer Beschneidung bewahren. Für Präventionsveranstaltungen mit Männern können Multiplikatoren beigezogen werden.