Das Schweizer Bundesverwaltungsgericht (BVGer) hat im Juli 2020 anerkannt, dass einer Frau bei der Rückkehr nach Somalia eine sogenannte Reinfibulation droht. Dennoch wurde der Frau in dem Fall nur eine vorläufige Aufnahme als Geflüchtete gewährt.
Dies im Unterschied zum Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts von 2014 (BVer E-1425/2014, 6.8.2014) welches u.a. wegen einer drohenden Reinfibulation den Asylstatus gewährte. Das Gericht macht hier einen Unterschied, ob eine Reinfibulation droht, weil eine Frau deinfibuliert wurde wegen einer Geburt oder ob eine Reinfibulation droht, weil sie eine Frau aus medizinischen Komplikationen einer Deinfibulation unterzogen hat. Im letzteren Fall wurde der Frau kein Asyl gewährt, sondern nur eine vorläufige Aufnahme und das Gericht begründet dies wie folgt: «8.3. Da die mit hoher Wahrscheinlichkeit drohende Verfolgung allerdings auf das Verhalten der Beschwerdeführerin in der Schweiz und damit auf einen subjektiven Nachfluchtgrund zurückzuführen ist, bleibt ihr die Asylberechtigung in Anwendung von Art. 54 AsylG verwehrt.» (BVer E-3512/2019, 27.7.2020). Die Frau wird also dafür bestraft, dass sie sich operieren liess um die Folgen von FGM/C zu mildern. Dies ist aus Sicht des Netzwerks nicht nachvollziehbar und stossend.
Im Weiteren schliesst sichdas Bundesverwaltungsgericht in dem Fall zwarder Auffassung des UNHCR an, dass die Genitalverstümmelung «eine Form geschlechtsspezifischer Gewalt darstellt, die sowohl psychisches wie physisches Leiden zur Folge hat und einer asylrechtlichen Verfolgung gleichkommt.» Aber im Gegensatz zum UNHCR ist in der Schweiz nur die Angst vor einer zukünftigen Beschneidung (inkl. Reinfibulation) entscheidend, nicht aber das Trauma wegen einer bereits erlittenen Beschneidung. Dies im Unterschied zum UNHCR, welches empfiehlt: «Selbst wenn die Verstümmelung als eine einmalige Erfahrung in der Vergangenheit betrachtet wird, kann es immer noch zwingende Gründe aufgrund dieser vergangenen Verfolgung geben, der Gesuchstellerin den Flüchtlingsstatus zuzuerkennen. Dies kann der Fall sein, wenn die erlittene Verfolgung als besonders grausam angesehen wird und die Frau oder das Mädchen anhaltende und traumatische psychologische Auswirkungen hat, die eine Rückkehr in das Herkunftsland unerträglich machen.» (UNHCR, Guidance Note on refugee claims relating to female genital mutilation, Mai 2009, Rz. 15.)
Bild: © Schweizerisches Bundesverwaltungsgericht, St.Gallen
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