Das humanitäre Visum - ein Weg um gefährdete Mädchen zu schützen?

Drei Personen im Gespräch an einem Tisch sitzend
Illustration: Petra Schmid, Les Graphistes, Bern

In den vergangenen Monaten wurde die nationale Anlaufstelle des Netzwerkes gegen Mädchenbeschneidung Schweiz vermehrt von besorgten Eltern kontaktiert, welche fürchteten, dass ihre Töchter im Herkunftsland von einer Genitalbeschneidung bedroht seien. Eine Möglichkeit, Zugang zu Schutz zu erhalten, ist in der Schweiz die Erteilung eines humanitären Visums – allerdings ein steiniger Weg.

Das humanitäre Visum - ein Weg um gefährdete Mädchen zu schützen?

In den vergangenen Monaten wurde die nationale Anlaufstelle des Netzwerkes gegen Mädchenbeschneidung Schweiz vermehrt von besorgten Eltern kontaktiert, welche fürchteten, dass ihre Töchter im Herkunftsland von einer Genitalbeschneidung bedroht seien. Eine Möglichkeit, Zugang zu Schutz zu erhalten, ist in der Schweiz die Erteilung eines humanitären Visums – allerdings ein steiniger Weg. Unseren Beraterinnen unterstützend zur Seite stand dabei stets der Beratungsdienst Humanitäre Visa des SRK, welcher per Dezember 2021 leider seine Tore geschlossen hat.

Frau A. musste ihre drei Kleinkinder in Somalia bei einer Nachbarin zurücklassen – zu gefährlich wäre eine gemeinsame Flucht nach Europa gewesen. In der Schweiz angekommen, erhält sie zwar eine Aufenthaltsbewilligung; die für Drittstaatenangehörige sehr restriktiv ausgelegten Bedingungen für den Nachzug ihrer drei Kleinkinder erfüllt sie jedoch nicht, da sie auf Sozialhilfe angewiesen ist. Frau A. macht sich zunehmend Sorgen um ihre Tochter; ihre Nachbarin hat angedroht, sie genital zu beschneiden. Hinzu kommt, dass der Wohnort ihrer Kinder vermehrt von kriegerischen Auseinandersetzungen betroffen ist.

Der Fall von Frau A. ist fiktiv. Aber mit solchen und ähnlich gelagerten Fällen sahen sich die Beraterinnen der nationalen Anlaufstelle des Netzwerkes in den letzten Monaten wiederholt konfrontiert. Da die Bedingungen beim Familiennachzug für Drittstaatenangehörige wie erwähnt äusserst restriktiv sind, bleibt zuletzt oftmals nur die Möglichkeit, ein humanitäres Visum einzureichen. Diese Visa werden in der Schweiz vom Staatssekretariat für Migration (SEM) dann erteilt, wenn eine Person in ihrem Heimatland unmittelbar, ernsthaft und konkret an Leib und Leben gefährdet ist. Der Antrag um ein humanitäres Visum muss die gesuchstellende Person persönlich bei einer Schweizer Vertretung einreichen. Die Schweiz verfügt jedoch nicht in allen Ländern über eine Vertretung oder ein Konsulat. In solchen Fällen muss für die Gesuchstellung eine Vertretung in einem Drittland aufgesucht werden – solche Reisen sind gerade für minderjährige Kinder mit hohen Risiken verbunden. Die Beraterinnen des Netzwerks unterstützen wegen dieser komplexen Abläufe die Angehörigen in einem ersten Schritt beim Verfassen einer Bitte um Voreinschätzung zuhanden des SEM, um die Erfolgsaussichten eines Gesuchs zu prüfen.

Doch selbst wenn eine Voranfrage vom SEM als «prüfenswert» eingeschätzt wurde, ist dies längst kein Garant für Erfolg: In einem der wenigen Fälle, in welchem das SEM die Voranfrage als prüfenswert einstufte, wurde das offizielle Gesuch anschliessend abgewiesen. Eine Erfahrung der Beraterinnen des Netzwerks, welche sich mit jener des Beratungsdienstes für Humanitäre Visa des SRK deckt. Das SRK kritisiert in seinem Abschlussbericht anlässlich der Schliessung des Beratungsdienstes, dass die Zahl der erteilten Visa von Jahr zu Jahr zurückgegangen ist, zugleich aber die Anforderungen an die Beweismittel stets höher geworden sind. Aufgrund dieses Missverhältnisses hat das SRK beschlossen, den Beratungsdienst Humanitäre Visa per 22. Dezember 2021 zu schliessen. Ab Frühling 2022 will das SRK seine Tätigkeiten im Bereich Familiennachzug verstärken. In seinem Abschlussbericht empfiehlt der Beratungsdienst des SRK unter anderem, Gewalt gegen Frauen, wie beispielsweise die weibliche Genitalbeschneidung, ernst zu nehmen und als Gefährdung gegen Leib und Leben anzuerkennen.

Das Netzwerk gegen Mädchenbeschneidung Schweiz bedauert die Schliessung des Beratungsdienstes ausserordentlich. Die Frage, wie gefährdete Mädchen auf legale Weise in der Schweiz Zuflucht finden können, bleibt ungelöst.

Beitrag von: Denise Schwegler, Caritas Schweiz, Trägerschaftsmitglied im Netzwerks gegen Mädchenbeschneidung Schweiz

Schliessung des Beratungsdienstes Humanitäre Visa

Abschlussbericht des SRK 

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https://www.maedchenbeschneidung.ch/netzwerk/stories/das-humanitaere-visum-schutz-vor-fgmc

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