«Es ist wichtig, nachzufragen.»

Porträt der Multiplikatorin Sosuna Esayas
Sosuna Esayas, Multiplikatorin beim Netzwerk gegen Mädchenbeschneidung Schweiz

Zehn Jahre ist es her, seit Sosuna Esayas aus Eritrea in die Schweiz geflohen ist. Während diesen zehn Jahren hat sie mit beeindruckender Beharrlichkeit und Offenheit eine neue Sprache und einen neuen Beruf erlernt. Heute lebt sie mit ihrer Familie in der Region Biel und arbeitet als Dolmetschende und Multiplikatorin beim Netzwerk. Ein Einblick in ein bewegtes Leben.

Flucht aus Eritrea in die Schweiz 
Sosuna Esayas wurde 1988 als zweites von acht Kindern in Eritrea geboren. Nach einem Jahr Militärdienst beschloss Sosuna Esayas, aufgrund der schwierigen politischen Situation zu fliehen. Die gefährliche und mühselige Flucht nach Europa wollte sie ihrem damals dreijährigen Sohn keinesfalls zumuten und liess ihn bei ihrer Mutter zurück – in der Hoffnung, ihn später nachziehen zu können. Glücklicherweise hat sich diese Hoffnung erfüllt: Nach einem positiven Asylentscheid konnte Sosuna Esayas ihren mittlerweile achtjährigen Sohn in der Schweiz wieder in die Arme schliessen.

Erste Schritte zur Integration 
Die Integration in der Schweiz, das Erlernen einer neuen Sprache – all dies gestaltete sich als alleinerziehende Mutter herausfordernd. Als Türöffner erwies sich die Teilnahme an einem Kurs des Netzwerkes gegen Mädchenbeschneidung Schweiz zum Thema “Kompetenzen für FGM/C-Betroffene”. Von der Kursleiterin nach ihren beruflichen Wünschen gefragt, erwiderte Sosuna Esayas: «Ich möchte mit Kindern arbeiten». Eine Angestellte der Stadt Biel wurde auf die kluge und aufgeweckte junge Frau aufmerksam und vermittelte ihr eine Lehrstelle in einer Kindertagesstätte.   Zugleich begann Sosuna Esayas als Multiplikatorin für das Netzwerk gegen Mädchenbeschneidung Schweiz zu arbeiten. Die Beschäftigung mit der Thematik FGM/C half ihr, sich mit ihrer eigenen Betroffenheit auseinanderzusetzen und Erklärungen für ihre gesundheitlichen Beschwerden zu finden.  

Mythen hinterfragen – mit viel Feingefühl und Beharrlichkeit 
Seit mehreren Jahren führt Sosuna Esayas regelmässig Gesprächsrunden zum Thema Frauengesundheit durch, wobei sie auch das Thema der weiblichen Genitalbeschneidung anspricht. Dies tut sie mit viel Fingerspitzengefühl, aber auch mit Beharrlichkeit: «Wenn ich über FGM/C spreche, sagen die Teilnehmer*innen sofort, dass es verboten und nicht gut sei. Auf die Frage, weswegen die weibliche Genitalbeschneidung nicht gut ist, wissen sie oftmals keine Antwort». Sosuna Esayas findet es deshalb wichtig, bei den Frauen nachzufragen und während den Runden eine tiefergehende Diskussion zu den Mythen rund um FGM/C anzustreben. Gerade bei den älteren Generationen werde zum Beispiel immer wieder die Ansicht geäussert, dass beschnittene Mädchen gehorsamer und ruhiger seien. Diese und andere Mythen gelte es zu hinterfragen.

Lebensfreude, Neugierde und Humor 
Sosuna Esayas ist es wichtig, dass während den Präventionsnachmittagen trotz ernsthaften Inhalten auch der Humor nicht fehlt. Wiederholt erwähnt sie im Gespräch, wie oft sie während den Präventionsnachmittagen miteinander lachen. Auf die Frage, wie es Sosuna Esayas schafft, Erwerbsarbeit, Elternschaft und Engagement unter einen Hut zu bringen, antwortet sie: «Es ist das Interesse an vielem, welches mir Kraft gibt. Ich möchte aktiv sein und für das Gute einstehen».  

Wir sind dankbar, mit Sosuna Esayas eine tatkräftige, kluge und lebensfrohe Multiplikatorin gewonnen zu haben und hoffen auf viele weitere Jahre der Zusammenarbeit. 

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https://www.maedchenbeschneidung.ch/netzwerk/stories/portraet-sosuna-esayas

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