Mit seinem heute veröffentlichten Bericht hat der Bundesrat dem Postulat 18.3551, «Massnahmen gegen Mädchenbeschneidungen» von Natalie Rickli Folge geleistet. Der Bundesrat sollte gemäss dem Postulat in einem Bericht darlegen, mit welchen Massnahmen Mädchen und Frauen besser vor weiblicher Genitalverstümmelung geschützt werden können.
Das Netzwerk gegen Mädchenbeschneidung Schweiz, welches die Entstehung des Berichts phasenweise begleitet hat, bezieht in seiner heute veröffentlichten Stellungnahme Position zu diesem Bericht.
Ausgangspunkt des im Jahr 2018 eingereichten Postulates war die Frage, weshalb in der Schweiz – trotz Einführung von Artikel 124 StGB im Jahr 2012 – kaum Strafanzeigen betreffend weiblicher Genitalbeschneidung verzeichnet werden und «wie dies verbessert werden könnte». Wie der Bundesrat in seinem heute veröffentlichen Bericht darlegt, sind die Gründe für die tiefe Anzeigequote vielfältig. Zudem, so der Bundesrat, kann es nicht vorrangiges Ziel der Bestrebungen sein, die Anzahl der Anzeigen zu erhöhen; vielmehr muss das Kindes- und Opferwohl im Zentrum des Handelns stehen. Um die Praxis wirksam zu bekämpfen, braucht es mehr als ein gesetzliches Verbot, nämlich differenzierte, aufeinander abgestimmte Handlungsansätze.
Das Netzwerk unterstützt in seiner ebenfalls heute veröffentlichten Stellungnahme diese Argumentation. Um gefährdete Mädchen wirksam vor der weiblichen Genitalverstümmelung zu schützen, ist ein gesetzliches Verbot notwendig, aber nicht ausreichend. Es bedarf verschiedener Ansätze: Um eine mögliche Straftat zu verhindern, ist die Präventionsarbeit in den betroffenen Communities essenziell. Die zivilrechtlichen Kindesschutzmassnahmen zum Schutz von gefährdeten Mädchen müssen ausgeschöpft werden. Hierfür bedarf es aber einer vermehrten Sensibilisierung der Fachpersonen im Sozial- und Gesundheitsbereich zum Thema, damit sie überhaupt in der Lage sind, gefährdete oder betroffene Mädchen und Frauen als solche zu erkennen und adäquat zu handeln. Überdies kann die Gewährung eines Aufenthaltsrechts in der Schweiz gefährdete Mädchen und Frauen vor einer weiblichen Genitalbeschneidung schützen. Letztlich muss auch die Gesundheitsversorgung von betroffenen Frauen sichergestellt werden, die sich zurzeit – je nach Wohnort der Betroffenen – stark unterscheidet.
Um diese breite Palette an Massnahmen realisieren und koordinieren zu können, ist ein nationales Kompetenzzentrum nötig. Das Netzwerk gegen Mädchenbeschneidung Schweiz hat in den vergangenen Jahren diesbezüglich viel wertvolles Wissen aufgebaut und wesentliche Erfahrungen gemacht. Die finanzielle Unterstützung durch den Bund läuft im Juni 2021 aus. Eine nachhaltige finanzielle Lösung für die Weiterführung dieser Arbeit ist dringend notwendig.
Der Ball liegt nun bei Bund und den Kantonen: Mit der Ratifizierung des Übereinkommens des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) haben sich Bund und Kantone verpflichtet, sich gegen die weibliche Genitalbeschneidung einzusetzen.
Ein Beitrag der Netzwerkmitglieder Marisa Birri (Terre des Femmes Schweiz) + Denise Schwegler (Caritas Schweiz)
Sie finden unsere Stellungnahme und alle wichtigen Informationen zum Postulatsbericht auf unserer Website.
Link
https://www.maedchenbeschneidung.ch/netzwerk/stories/stellungnahme-mehr-als-ein-verbot
URL in die Zwischenablage kopieren